Donnerstag, 28. April 2005

Post Asra

Es muss eine Zeit gegeben haben, als für Ehre noch gestorben wurde, und für Liebe sich die Klippen herabgestürzt, denn die Duelle gab es ja nicht nur auf der Bühne, und das Publikum muss die Rache am Verführer genauso nachvollzogen haben können wie diejenige am Mörder des Vaters. In einer Gesellschaft, zwischen deren Säulen eine Frau in jeder Hinsicht verloren sein konnte, wenn man sie im Zimmer eines anderen antraf, und nicht statt mit X mit Y zukünftig ihre Tage verbringen würde bis auf Widerruf, sondern den Rest ihres Lebens im Kloster verbringen konnte, wenn es denn schlimm kam, muss die Liebe noch etwas wahrhaft Schicksalhaftes besessen haben.

Fern und unverständlich ist nicht der Wunsch der Zerline, Herrin auf einem Schloss zu werden. Vertraut, wenn auch nicht eigen, mag sogar der Don Giovanni sein, der dämonische Verführer und gelangweilte Lebemann. Auch den Zwiespalt, den kennen wir, die Schmerzen der Donna Elvira, den Verbrecher zu erkennen, ihn bekämpfen zu müssen und ihn trotzdem zu lieben, ist uns nicht unvertraut, die wir dort sitzen, Türsteher und Croupiers in jenem Casino, zu dem unsere Welt geworden sein wird in den Augen der Späteren. - Aber dass sie ihn liebt. Dass sie sich nicht abwendet, weil beide doch ersichtlich nicht dasselbe Beziehungsmuster goutieren. Oder weil auf jemanden, der so ist, wie Don Giovanni es idealtypisch eben lebt, doch kein Verlass sein wird, und man sich das nicht antun möchte. Dann trennt man sich eben, ruft alle Freundinnen an, lange Abende bei Rotwein oder Tee, und nach ein paar Wochen geht man wieder vor die Tür, nächtelang durch die Clubs, bis die Ohren schmerzen, und irgendwann wacht man wieder zu zweit auf, oder eben auch nicht.

Wahrscheinlich ist die Operation, die der Liebe den Ernst und das Schwere herausgeschnitten hat, eine gute Sache. Es gibt vermutlich kaum etwas Vernünftigeres, als sich kennenzulernen, ein paar Jahre miteinander gut auszukommen, zusammenzuziehen, und wenn es dann nicht harmonisch zugeht, dann sucht sich jeder wieder eine eigene Wohnung und gibt eine Kontaktanzeige auf. „Wir haben zu unterschiedliche Lebensvorstellungen“, sagt man dann, oder auch „Ich bin mit seinem Beziehungsmodell nicht klargekommen.“ Und alle Freundinnen nicken ernsthaft und sagen, dass die Trennung dann doch wirklich das beste war.

Dann klappt es auch mit dem nächsten nicht. Der übernächste hat ernsthafte Probleme, die man nicht aushält den ganzen Tag. Der drauf ist zu lieb, und seine Witze findet man auch nicht komisch, und die Freunde fangen langsam an zu mahnen, man möge doch seine Vorstellungen einmal langsam der Realität anpassen. Nachts fährt man im Taxi nach Haus, lobt die Besetzung, vergleicht Inszenierungen und lästert ein bißchen über die Kluft, in der die Berliner ihre Opernhäuser besuchen, und heute nacht an der Bar wird man so wenig sein Herz verlieren, wie in allen Nächten davor.


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