Donnerstag, 12. Mai 2005

Später

Irgendwann einmal, wenn das 103 schon lange dichtgemacht hat, und kein Mensch mehr weiß, warum Tom Ford eigentlich Gott ist, und nur ganz alte Leute sich erinnern können, wie die Parties nachts in der Volksbühne riechen, werden vielleicht auch von jenen Menschen Memoiren erscheinen, die jetzt neben uns sitzen in der sanften, orangefarbenen Beleuchtung auf den beigefarbenen Bänken an der Wand. Die schwarzen Brillen am Nachbartisch, die beiden exaltierten blonden Mädchen, die magere Frau an der Bar, die sich beim Lachen so weit zurücklehnt, dass ihr Mund ausschaut wie ein schwarzes Loch, werden schreiben, wie sie einmal, Jahrzehnte wird es dann her sein, in die Stadt gekommen sind. Wie sich ein paar Hoffnungen erfüllt haben, wie die Rückschläge kamen. Wie jemand sie enttäuscht haben wird, privat, beruflich, oder von beidem ein bißchen. Vielleicht werden sie auch die Bar beschreiben, die dünne, riesengroße Kellnerin, die Tram hinter den großen Fenstern, und den Versuch, den frischen Pfefferminztee an den Stengeln vorbei zu trinken.

Die, die verlieren, werden ihre Erinnerungen für sich behalten. Die gewonnen haben werden, was es auch immer noch zu gewinnen gibt, werden die Klimax ihrer Erfolge schildern. Das Festival in der Provinz. Die Einladungen zum Theatertreffen. Die retardierenden Momente, weil ein unbegabter Konkurrent bei einflussreicher Stelle intrigiert haben wird. Die Erwartung, die Spannung, wenn die Welt alle ihre Tore öffnet, werden sie nicht vergessen haben. Die verregneten Nächte im Mai, in denen die eigenen Schritte das einzige sind, was man hört auf dem Heimweg. Die Blicke auf dem Weg einmal um den Tresen, das Frösteln, wenn man an Sommermorgen vor die Tür der Clubs tritt und sich schämt vor dem klaren Licht wegen etwas, für das man keinen Namen hat. Die Sachlichkeit der Küsse. Die Sehnsucht nach etwas, was größer ist als man selbst, und das man nachts manchmal spüren kann, kurz vorm Aufwachen. Die Angst, einmal tot zu sein, und etwas verpasst zu haben, von dem man nicht weiß, wie es heißt. Die Einsamkeit daheim. Die Stille vor der offenen Balkontür, vor der der weiße Rauch sich in nichts auflöst wie wir alle am Ende.


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