Freitag, 15. Juli 2005

Erwartung

Irgendwo in der Frau, die ich im Spiegel sehen kann, wartet der Tod und versteckt sich einstweilen. Vielleicht eine Lungenzelle, die einstweilen völlig unbeobachtet in meinem Brustkorb vor sich hin atmet, und eines Tages mutiert, klumpt und wuchert, und dann das Krankenhaus, Haarausfall und der achselzuckende Arzt. Oder der Herzfehler, der sich eines Tages von einer Petitesse auswachsen wird zu einem ernsthaften Problem, das Herz will dann nicht mehr, und ohne Herzschlag, heißt es, lebe es sich ja mäßig und meist nicht besonders lang. Oder der Tod wächst mir in einem andern entgegen, einem nachlässigen, betrunkenen Autofahrer, der heute morgen nüchtern an seinem Schreibtisch sitzt, eines Tages mit Freunden ausgeht, vergnügt ist, und die Kosten des Taxis scheut? Oder der Herbeigerufene, Herbeigesehnte, Geliebte und eines Tages vielleicht dann doch Verlassene trägt meinen Tod in seinem Kopf, und steht eines Tages mit dem Messer im Hauseingang, ein kurzer Schreck, ein scharfer Schmerz und das Ende.

In den letzten Momenten, so heißt es, gingen noch einmal spektakuläre Dinge vor, das ganze Leben zöge an einem nochmals vorbei, und es würde hell, ein letztes Mal würden alle Register gezogen, und erst dann sei es aus, man könne sich loslassen, entschwinden ins Nichts, oder in Sphären, von denen ich nicht weiß.

Es mag aber auch sein, dass auch in diesem Augenblick nichts weiter wartet als die letzte, endgültige Enttäuschung: Zu liegen, hilflos, in Schmerzen und nackter Angst. In der Gewissheit, dass diese Schmerzen nicht mehr enden werden, die Welt verglasen zu sehen, schreien zu wollen und nicht zu können. Größtmögliche Einsamkeit. Sich noch einmal aufrichten zu wollen, ein letztes Mal „Ich“ zu denken, und aus dem Dunkel der Schmerzen, allein und in schriller, lähmender Angst in ein Dunkel hinübergezogen zu werden, das nichts Gnädiges an sich hat.


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