Mittwoch, 6. Mai 2009

Journal :: 06.05.

Die B. ist von der Beerdigung zurück. Ein bißchen müde wirkt sie wegen des frühen Aufstehens, des Flugs hin und des Flugs zurück, und die Beerdigung war wohl auch kein Spaß. Ihren Onkel haben sie zu Grabe getragen, alle vier Exfrauen waren da und haben teilweise mächtig geweint. Vor allem die zweite sei fast hinterhergestorben vor Entwässerung, erzählt die B. und fährt mit der Gabel in ihre Pasta, weil zu allem Überfluss auch das Essen etwas karg ausgefallen ist.

Die fünf Kinder hätten teilweise einen etwas unbeteiligten Eindruck gemacht. Gerade der älteste Sohn, zehn Jahre älter als die B., sei umhergestanden, als ginge ihn das Ganze nichts an, seine Tochter fest an der Hand, die später Einiges werde erzählen können von dem Großvater, der ein Fresser und Säufer vor dem Herrn gewesen sei, zwei gebratene Hühner auf einmal habe verschlingen können, und Bier dazu zu bestellen pflegte, als wolle er ein Hopfenbad nehmen.

Mit den Frauen sei der Onkel gleichfalls umgegangen wie mit Bier und Geflügel. Nie habe es ihm gereicht, sogar seinen Nichten habe er schöne Augen gemacht, zumindest in dem Maße, wie ein 120 Kilo schwerer Mann eben schöne Augen machen kann. Zum Ausgleich sei der Onkel mächtig katholisch gewesen, viel gespendet habe er auch, und von seinen drei Wagen hat er einen dem kirchlichen Altenheim gestiftet, damit die alten Leute auch einmal Mercedes fahren. Er selbst hat es nicht mehr ins Altenheim geschafft, nicht einmal bis zur Rente.

Um ein Haar habe es noch so eine Art fünfte Witwe gegeben, erzählt die B. Ihr Onkel habe nämlich Beziehungen nach China aufgebaut, wo massenweise junge Frauen einen dicken Deutschen heiraten wollen. Zur Zusammenführung des Onkels mit der neuen Frau sei es aber nicht mehr gekommen. Die Familie hat's gefreut.

"Keine schlechte Bilanz.", sage ich und frage mich, was wohl andere über mich erzählen würden, würde auch mich der Blasenkrebs holen. Dass ich eine nette Person war, würde wohl der eine oder andere erzählen, und mancher würde sich still dabei denken, dass das nicht stimmt. Dass ich viel zu viel arbeite, weil ich nichts, was ich liebe, halb machen kann, und dann sind es eben täglich - heute auch - elf, zwölf Stunden. Dass ich eitel bin, launisch, immer hungrig und ein wenig unstet, würde man sich erzählen, und bei meiner Beerdigung hoffentlich so gut essen, dass niemand von der Leichengesellschaft abends bei einem Italiener in Berlin hintereinander Antipasti und Pasta mit Feigen und dann noch eine Panna Cotta hinterher bestellen müsste vor lauter Hunger.



Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7478 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:01 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development