Samstag, 30. Juni 2012

Spannende Zeiten

Der J., sagt er, hat das Vertrauen in den Euro verloren und will die DM zurück. "Alle schreiben, die Deutschen hätten vom Euro am meisten profitiert.", entgegne ich ihm, aber der J. ist nicht mehr umzustimmen. Frau Merkel habe in Brüssel seine Interessen für ein Linsengericht verkauft, ist der J. überzeugt, und von Helmut Kohl, der den Euro verschuldet habe, habe er sowieso noch nie viel gehalten. Der J. erwartet also demnächst eine knackige Inflation.

Mir ist eine Inflation alles in allem nur recht. Ich bin Rechtsanwältin, so etwas braucht man quasi immer. Ich arbeite nicht für Privatpersonen und rechne auch nicht nach einer Gebührentabelle ab, die durch eine Inflation entwertet werden könnte. Wir haben außerdem nicht so sonderlich viel Geld, halte ich dem J. vor, aber dafür einen laufenden Kreditvertrag für unsere Wohnung. Eine Inflation kommt uns also nur gelegen. Was aber unsere Barmittel angeht, so geben wir die in Ansehung der kommenden Zeiten am besten unverzüglich aus.

Wir haben also erst einmal einen Flug nach Las Vegas gebucht. Ich war da noch nie. Ich stelle mir Las Vegas scheußlich vor, aber gesehen haben muss man das wohl mal, also fahren wir übernächste Woche hin. Weil das Geld ja bald eh nichts mehr wert ist, haben wir das Hotel gebucht, das uns im Internet am besten gefallen hat.

Außerdem will ich ans Meer. Wir haben deswegen einen Wagen gemietet. Ich habe im Internet nach Hotels gesucht, aber irgendwie gab es halbwegs günstig nur einerseits Kettenhotels, die ja immer irgendwie unwirtlich wirken, und Hotels, die ausschauen, als handele es sich um die Kulisse eines sozialrealistischen Films. Meistens ist da an Ausstattung sogar alles da. Die Optik ist aber so schlimm, da kann man keineswegs absteigen, insbesondere die Kombination von riesigen Räumen mit wenig Möbeln, grässlichen Bettüberwürfen und viel zu viel Vorhangstoff in unsagbar hässlichen Mustern und Farben macht das Absteigen leider vollends unmöglich. Wir sind also auf ein Hotel ausgewichen, das einerseits gut aussieht, andererseits auch schön gelegen sein soll, und was die Kosten angeht: Nächstes Jahr bekommen wir für das Geld bestimmt eh nur noch einen Eisbecher ohne Streuseln und Sahne.

Sobald wir zu Hause sind, machen wir weiter. Ich habe ein paar Bilder im Auge. Die hängen wir uns jetzt ganz schnell an die Wand. Vielleicht bauen wir um. Oder rüsten noch einmal richtig auf, so möbeltechnisch und so. Vielleicht kaufe ich mir auch Schmuck. Oder wir schichten alles um in Schweizer Franken. Dann sitzen wir in Berlin und warten auf die Inflation. Wenn sie kommt, erfreuen wir uns an den ganz bestimmt interessanten Zeiten. Und wenn sie ausbleibt, haben wir ein paar schöne Ausflüge gemacht und ein paar wirklich gut aussehende Möbel, Bilder und Schmuckstücke mehr.

Ich bin gespannt.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Meer

Dann aber, als wir den Zoo verlassen, stehen wir auf einmal hinter dem Highway am Strand, und hinter uns türmt der Pazifik sich auf zu hohen Wellen mit breitem, weißem Kamm. Grün und blau changiert das Wasser wie altes Glas, wie ein Aquamarin, und mir fällt ein, dass ich flache, ruhige Wasser noch nie mochte, und ein Meer genau so sein muss wie dieses.

Samstag, 23. Juni 2012

Nichts los, alles bestens

Tja, sage ich. Da gibt es wohl nichts zu schreiben. Wer will schon wissen, wie viele Candyläden es am Pier 39 gibt? Oder wie oft ich schon bei Trader Joe's war, um den Kühlschrank vollzustopfen? Oder wie viele Kilometer der J. und ich schon durch San Francisco gelaufen sind, immer mit dem F. auf dem Bauch, ohne dabei auf besondere Sehenswürdigkeiten gestoßen zu sein, einfach nur so, aus Freude am Spazieren gehen?

An Sensationen ist unser Leben gerade ganz ausgesprochen arm, entschuldige ich die Ereignislosigkeit in diesem Blog. Um das mal drastisch zu illustrieren: Das Ereignis mit dem größten Ausschlag nach unten heute war eine Portion Clam Chowder in der Nähe von Fisherman's Wharf. Ein Höhepunkt des Tages dagegen fällt mir nicht einmal ein. Dabei war das ein schöner Tag, so ganz geruhsam mit langem Spaziergang, Blick auf die San Francisco Bay und dann noch ein bißchen Shoppen rund um den Union Square. Geschichten ergibt das alles aber rein gar nicht, und so steht auch heute an dieser Stelle nur

ein entspannt-zufriedenes Nichts.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Knack. Also: KNACK!

Bekanntlich gibt es ja so etwas wie ein kosmisches Gleichgewicht: Wer reich ist, soll nicht auch noch schön sein. Wer Erfolg hat, soll wenigstens Depressionen bekommen. Nicht vergleichbar existentiell, aber irgendwie ähnlich verhält es sich gerade bei mir:

Der Flug nach San Francisco war super. Sogar das Essen bei KLM war okay. Der russische Taxifahrer hat unser Appartement sofort zu einem nachzuvollziehbaren Preis gefunden. Das Appartement ist im Erdgeschoss eines hübschen, viktorianische Häuschens in Pacific Heights inmitten lauter anderer hübscher, ebnso reich verzierter viktorianischer Häuser belegen, klein und hübsch, geschmackvoll pistaziengrün gestrichen, eingerichtet mit einer charmanten Mischung aus alten, sehr gepflegten Möbeln, ein wenig IKEA, sparsam dekoriert mit ein paar Orchideen und Blechspielzeug, und die Küche ist komplett. Das WLAN funktioniert auch. Das Bett ist nicht zu weich, der Garten nett angelegt mit Tischen und Stühlen in der Morgensonne, und wenn man die Straße abwärts läuft kommt man über die Fillmore Street und vorbei an Chinatown direkt ans Meer. Das ist perfekt. Das war zuviel. Das konnte nicht so bleiben, denn das kosmische Gleichgewicht ... Sie wissen schon.

Ich sitze also in diesem perfekten Setting morgens am Tisch, esse griechischen Joghurt mit Mango, bestreiche mir ein Sourdough Brot mit Hummus, schneide mir eine Scheibe TRüffelkäse ab, und dann macht es: Knack. Also besser so: KNACK. Mit mindestens 36 pt.

Entgegen erster Annahmen ist das kein Erdbeben. Auch mein Schädel ist noch ganz. Außer mir hat auch keiner dieses entsetzliche Geräusch gehört, wie ein Blick auf den J. und den F. zeigt, die beide vergnügt und ruhig herumsitzen bzw. -liegen, als habe es das grässliche Geräusch nie gegeben. Gleichzeitig wird es warm und salzig in meinem Mund. Ich fühle vosichtig nach: Hier ist etwas gebrochen. Der Zahn ist durch. Nach mehrfacher, monatelanger Wurzelbehandlung. Der Zahn ist mitten durchgebrochen.

Zwei Stunden später immerhin sitze ich beim Arzt. Der Arzt sitzt in einem Bungalow auf dem Dach eines Einkaufszentrums. Der Arzt erweist sich letztlich als eine Ärztin, eine Russin mit rrrollendem Rrrr, die mir verkündet, der Zahn sei brrroken, er müsse extrrracted werden, denn für eine Rettung des Zahns sei nicht mehr genug Zahnsubstanz da. Ich könne das mit einer provisorischen Füllung überbrücken lassen und in Berrrrlin meinen Zahnarzt aufsuchen. Oder sie reiße mir den Zahn an Ort und Stelle raus.

Ich habe genug. Ich nicke. Ich verlasse den Bungalow auf dem Einkaufscenter eine Stunde später also wieder ohne Zahn und wanke nach Hause.

Zwie Stunden später scheint der Kosmos zufrieden zu sein. Alles ist wieder im Gleichgewicht und schaukelt fröhlich durch den Tag. Die Backe ist nicht geschwollen, es schmerzt nichts, nur das Kauen ist ein bißchen schwierig, und so bestelle ich einen langen, langen Fußmarsch die Bush Street herunter, die Fillmore Street abwärts und die dann quer durch Chinatown in einem Restaurant statt der ersehnten Ente ein auch sehr, sehr gutes Mapo Tofu und eine Eierblumensuppe, esse auch in der Bakery, in der wir später sitzen, kein Gebäck, und betaste erst abends mit der Zunge vorsichtig die Stelle, wo der Zahn saß. Ein bißchen empfindlich, aber nicht schmerzhaft. Der Kosmos war gnädig.

Der Tag war es wert.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Verschwörungstheorie

Sehen Sie, die Regierung hat halt Feinde. Ich meine da nicht die Opposition. Die Opposition besteht ja in Deutschland einerseits aus sehr staatstreuen und andererseits aus völlig unfähigen Leuten. Die Opposition steht deswegen keineswegs den Bestrebungen der Regierung im Wege, die Deutschen zum Kinderkriegen aufzufordern. Wenn ich von "Feinden" spreche, dann meine ich andere Kräfte.

Nicht, dass ich wüsste, um wen es sich dabei handelt. Ich bin eine einfache Rechtsanwältin, woher soll denn ausgerechnet ich wissen, wo das ganze Geld herkommt, das den Pressemarkt überschwemmt? Nur dass es da irgendwelche Geldflüsse gegeben haben muss, davon bin ich überzeugt, denn es kann doch kein Zufall sein, dass seit ein paar Jahren - ungefähr solange, wie es das Elterngeld gibt - alle Zeitungen und Zeitschriften nur noch schreiben, wie grauenhaft es ist, Kinder zu haben. Der FAZ ist das auch schon aufgefallen. Wie nervig die kleinen Blagen sind und wie langweilig das Leben als Mutter, steht da dann etwa. Dass man immer unausgeschlafen sei, keine Zeit mehr habe, zu lesen oder auszugehen, und dass man statt nach New York die nächsten zwei Jahrzehnte nach Dänemark fahren wird.

In Wirklichkeit ist das alles Quatsch: Ich habe seit Jahren nicht mehr so viel geschlafen, weil ich ansonsten ja arbeiten muss und zuviel ausgehe. Die Vereinbarkeit von Berufs- und Nachtleben hat bei mir nie so richtig hingehauen, und dann habe ich halt am Schlaf gespart. Das ist nun natürlich anders. Gerade ein Baby kann man außerdem überall hin mitnehmen. Wir waren mit F. beispielsweise auf einer Vernissage und gehen ständig essen. Später hat man dann Babysitter und ansonsten wechselt man sich halt ab. Man muss ja nicht zwangsläufig zusammen ins Theater. Überdies - mein Gott, so ein Baby schläft 12 Stunden am Tag, das reicht für einen Haufen Bücher und Filme. Selbst ein waches Baby liegt ja meistens einfach so auf seiner Decke und spielt fröhlich brabbelnd mit herabhängenden Rasseln oder versucht vergeblich, einen großen Plüschwürfel vollständig in den Mund zu stecken. Da kann man gut daneben sitzen und die Süddeutsche lesen, so beispielsweise. Oder man sitzt in einem Flugzeug nach San Francisco, sieht hintereinander True Grit und zwei Folgen The Big Bang Theory und sieht wohlgefällig seinem Baby zu, dass in einem Hängebabybett vor einem liegt und freudig strampelt, strahlt und meistens schläft. Die Geräusche des Flugzeugs und die Vibrationen müssen da irgendwie eine ziemlich wohltuende Wirkung ausüben: Der F. schläft zwar auch ansonsten viel, aber so viel schläft er eigentlich nicht.

Geschrien hat der Kleine auf der ganzen Reise im Übrigen überhaupt gar nicht. Zweimal habe ich gewickelt, ebenfalls zweimal wurde er gefüttert. In der Schlange für die Passkontrolle wurden der J. und ich dann etwas ungeduldig, nicht aber der F., und als wir todmüde um 19.30 Ortszeit zu Bett gehen wollten, schlummerte auch der F. in seinem Babybett selig ein.

Die ausufernde Gegenpropaganda kann ich mir daher ganz eindeutig nur mit Bestechung erklären. Die Verlage müssen für ihre Greuelpropaganda in Geld schwimmen. Nur warum irgendwer ein Interesse daran hat, dass die Deutschen aufhören, Kinder zu bekommen, kann ich mir nicht erklären. Die Deutschen sind doch so nützlich. Man denke doch nur an die Eurokrise. Wie soll denn das weitergehen, wenn es irgendwann keine Deutschen mehr gibt? Die einzige Erklärung, die mir für die Überschwemmung mit "No Kids"-Texten daher einleuchtet, ist diese: Die Regierung hat Feinde. Irgendwen. Irgendwen mit ziemlich viel Geld.



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