Und alles Leben wäre unser eigen

„Der da“, sagt T.
„Nein,“ sage ich. Zu jung. Ein Mann soll es sein, kein Junge. Und der da, der zwei Tische weiter seine Reisschüssel isst, ist ein reizender Ephebe, schlank und feingliedrig. Nichts für mich. Ein Prada-Hermes mit einem koketten Armreif.

„Dann vielleicht der“
Der auch nicht. Zu wenig Haar ist egal, ein bißchen Körperfülle stört nicht. Ein Genießer soll es sein. Aber das Gesicht ist ein wenig grob, ein bißchen brutal. Jemand, der an die Phrasen glaubt, die er jeden Tag drischt, der keine Frau sucht, sondern ein Accessoire des Lebens, das er sich ausgemalt hat, damals, als er achtzehn war und die Mädchen noch nicht einmal über ihn lachten. Der Mann an der Bar ist kein Herr. Und ein Herr soll es sein.

„Dann doch der K.?“, T. lacht über meine Schulter hinweg einer Frau zu, die er irgendwo schon einmal gesehen haben will. Die Frau schaut stoisch in ihre Bierflasche.

Nein, sage ich. Der K. ist korrekt und untadelig. Er wäre niemals grausam. Aber die Bühne sollte mehr sein als eine halbjährlich absolvierte Pflichtveranstaltung, und die frivolen Plaudereien der Brüder Goncourt eine größere Dichte besitzen als ein Geschäftsbericht. Er sollte das kalte Feuer des Augustinus im Nacken spüren können, und alle Sinnlichkeit der Welt in den ersten Takten des „Tristan“.

T. wiegt lachend das Haupt und bringt einen Toast aus. Auf die eierlegenden Wollmilchsäue unter den Männern. Als er das Glas senkt, wird er ernst. „Du, meine Modeste,“ sagt mir der T., „Du suchst keinen Mann. Du suchst die Erlösung. Du suchst nicht den Ritter, sondern den Gral.“

Nein, sage ich. Und meine es ernst.
Don Alphonso - 6. Jan. 2005, 3:45 Uhr

Ich empfehle den Besuch der billigen Ränge der bayerischen Staatsoper während der üblichen Wagnereien, wo dergleichen Menschenmaterial in grosser Menge zu finden ist.

Ich bin dort nicht, messe ich doch Wagner im Vergleich zu Rossini noch nicht mal den Wert eines gebrauchten Schnupftuches bei, und der Verfasser des Civitate Dei gilt mir als geisteskranker Terrorist, den man heute, eingedenk seiner Werke und Taten, lebenslänglich in Sicherheitsverwahrung stecken müsste.

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