Vielleicht träumen
Am Abend zog mein Vater die Vorhänge zu, setzte sich in den Sessel, der heute vor meinen Büchern steht, und begann vorzulesen. Von den Gebrüdern Grimm und Erich Kästner über den Rheinischen Hausfreund bis zu C. F. Meyer, Stefan Zweig und Grillparzer wurden die Lesezeiten später und später, und irgendwann, mitten im Maupassant, packte ich meine Sachen und zog aus.
„Lies mir doch vor.“, bat ich mal den einen, mal den anderen, aber der eine erwies sich als unfähig, seine sarkastische Irritation über diese Bitte nicht in jedem gelesenen Wort mitschwingen zu lassen. Ein anderer unterbrach sich ständig beim Lesen, und riss mich mit seinen Anmerkungen und Anekdoten aus dem sanften Schwung der Worte, auf dem ich davongleiten wollte, erzählte dies und das, und schließlich bat ich nicht mehr, sondern las ausschließlich selbst. Der letzte, der geschätzte ehemalige Gefährte J., las nicht vor, und ob ich ihn nicht bat, ob er sich dem Lesen entzog, ist mir entschwunden, und auch er weiß es nicht mehr zu sagen. Gut geschlafen habe ich trotzdem, so warme Arme und den regelmäßigen Atem, das nächtliche, beruhigende Flüstern nach den schlechten Träumen, und am Morgen mit der Tasse Caffé Americano geweckt, die ich damals noch vertrug. „Wie spät ist es?“, war stets die erste Frage, und meist, musste ich nicht arbeiten, war es dann zehn. Oder elf, oder noch später, am kühlen, hellen Morgen nach Hause gelangt, und erst erwacht, wenn die Cafés längst die Markisen ausgerollt hatten zum Schutz gegen die Mittagssonne.
Ob es am Vorlesen liegt, oder am fehlenden Wächter des Schlafes und der Träume? Ob mein Schlafzimmer zu hell ist, oder meine Matratzen nicht optimal? Ob es einfach normal ist, jeden Morgen, aber auch jeden Morgen, um sieben zu erwachen allerspätestens, heimgekommen um drei, hellwach den Rechner noch einmal hochgefahren, oder leise plaudernd auf dem Balkon gesessen, bis auf der schwarzen Silhouette des Alex die hellen und die dunklen Felder sichtbar wurden.
An Naturheilkunde glaube ich schon aus Prinzip nicht, und so helfen Johanniskraut und Baldrian nicht durch die Nächte. Vor den obskuren Mittelchen der pharmazeutischen Wissenschaften graut mir noch ein wenig. Und vielleicht, so sage ich mir, wartet ja irgendwo noch ein Vorleser auf mich, der mich nach wiederum acht Stunden Schlaf mit einer Kanne Tee aus Träumen zieht, die keinen Wächter brauchen.
„Lies mir doch vor.“, bat ich mal den einen, mal den anderen, aber der eine erwies sich als unfähig, seine sarkastische Irritation über diese Bitte nicht in jedem gelesenen Wort mitschwingen zu lassen. Ein anderer unterbrach sich ständig beim Lesen, und riss mich mit seinen Anmerkungen und Anekdoten aus dem sanften Schwung der Worte, auf dem ich davongleiten wollte, erzählte dies und das, und schließlich bat ich nicht mehr, sondern las ausschließlich selbst. Der letzte, der geschätzte ehemalige Gefährte J., las nicht vor, und ob ich ihn nicht bat, ob er sich dem Lesen entzog, ist mir entschwunden, und auch er weiß es nicht mehr zu sagen. Gut geschlafen habe ich trotzdem, so warme Arme und den regelmäßigen Atem, das nächtliche, beruhigende Flüstern nach den schlechten Träumen, und am Morgen mit der Tasse Caffé Americano geweckt, die ich damals noch vertrug. „Wie spät ist es?“, war stets die erste Frage, und meist, musste ich nicht arbeiten, war es dann zehn. Oder elf, oder noch später, am kühlen, hellen Morgen nach Hause gelangt, und erst erwacht, wenn die Cafés längst die Markisen ausgerollt hatten zum Schutz gegen die Mittagssonne.
Ob es am Vorlesen liegt, oder am fehlenden Wächter des Schlafes und der Träume? Ob mein Schlafzimmer zu hell ist, oder meine Matratzen nicht optimal? Ob es einfach normal ist, jeden Morgen, aber auch jeden Morgen, um sieben zu erwachen allerspätestens, heimgekommen um drei, hellwach den Rechner noch einmal hochgefahren, oder leise plaudernd auf dem Balkon gesessen, bis auf der schwarzen Silhouette des Alex die hellen und die dunklen Felder sichtbar wurden.
An Naturheilkunde glaube ich schon aus Prinzip nicht, und so helfen Johanniskraut und Baldrian nicht durch die Nächte. Vor den obskuren Mittelchen der pharmazeutischen Wissenschaften graut mir noch ein wenig. Und vielleicht, so sage ich mir, wartet ja irgendwo noch ein Vorleser auf mich, der mich nach wiederum acht Stunden Schlaf mit einer Kanne Tee aus Träumen zieht, die keinen Wächter brauchen.
von: Modeste Schublade: Datum: 21. Mai. 2005, 10:49 Uhr
Haben Sie eigentlich schon mal an Hörbücher gedacht? Die sind sicher nicht so gut wie der Herr Papa, vielleicht taugen sie aber als Ersatzdroge.
Oh,bezüglich
> Ob es einfach normal ist, jeden Morgen, aber auch jeden Morgen, um sieben zu erwachen
Sie haben einfach eine gut gehende innere Uhr. Freuen Sie sich, daß Sie ganz sauber ticken :-). Sie haben nicht zufällig schweizer Uhrmacher in ihrem Stammbaum? :-)