Montag, 1. Februar 2010

Samstag, 30.01.2010

Katzen kratzen sich. Das ist normal. Meine Katzen kratzen sich aber seit zwei oder drei Wochen ständig und meistens an den Ohren, das ist nicht normal, und deswegen erscheinen der J. und ich und Tilly und Willy am Samstag beim Tierarzt.

Dem Tierarztbesuch geht ein etwas längerer Kampf voraus. Tilly lässt sich folgsam in eine Katzenbox sperren und schaut etwas unglücklich durch das Gitter, aber Willy wird größer, breiter, seine Beine vermehren sich, seine Krallen werden zu halbmondförmigen Säbeln, und er faucht wie ein Tiger im Zirkus kurz vor dem Sprung. Gleich fällt der Dompteur blutend vom Podest. Dann aber überlegt der Tiger es sich anders, zischt in der geschlossenen Tasche noch ein wenig weiter und lässt sich durch den buckelig-eisverkrusteten Prenzlberg zum Tierarzt schleppen. Beide Katzen wiegen jeweils 7,4 Kilo zuzüglich Verpackung.

Der Tierarzt schaut beiden Katzen lange in die Ohren. Beide Katzen, sagt er dann, haben Milben in den Ohren. Beide Katzen bekommen Salbe, Spritzen, bei Tilly hat sich alles entzündet. Der Tierarzt schaut etwas bedenklich, und der J. und ich sehen schuldbewusst aufs Linoleum. Rabenkatzenhalter, schauen beide Katzen uns vorwurfsvoll an. Zu Hause werden wir demonstrativ geschnitten. Mit uns kommuniziert man in Katzenkreisen am Samstag ausdrücklich nicht.

***

Nicht, dass ich den Cava Cava Rock wirklich gebraucht hätte, aber irgendetwas muss ich schließlich anhaben, wenn ich vor die Tür gehe, und außerdem war er viel günstiger als der von Lena Hoschek, und den habe ich nicht gekauft. Obwohl ich ihn gut fand, und gepasst hatte er mir auch. Das puderfarbene Strickkleid von Ti-Mo habe ich auch nicht gekauft, und deswegen besteht keinerlei Anlass - also wirklich kein einziger Fetzen einer Ursache - für ein schlechtes Gewissen, nur weil ich in der Lychener Straße die Tasche (ach was: DIE Tasche!) gesehen und gekauft habe, eine Art gerafften Beutel, statt eines Zugbändchens eine silberglänzende, grobe Metallkette, silberfarbene Lederriemen, und den Beutel selbst über und über mit ganz, ganz, ganz vielen kleinen, viereckigen Pailletten besetzt, so dass es glitzert bei jeder Bewegung und jedem Sonnenstrahl. Dass der J. mich um ein Haar für den Kauf entmündigt hätte - nun gut, jedem kann man's halt nicht recht machen, und der J. ist reizend, gewiss, aber manchmal hat er einfach keinen Geschmack.

***

Wir fahren ja jedes Jahr alle zusammen weg. Letztes Jahr waren wir in Schweden. Dieses Jahr wollen wir auch irgendwohin, aber sich zu sechst auf ein Ziel zu einigen, ist nicht ganz einfach. Plan daher: Erst wird gegessen, dann wird bei M. und M. ein Ziel gesucht, ein Flug gebucht und ein Hotel reserviert.

Am Ende ist es gegen ein Uhr nachts Venedig. Vorher aber haben wir im Basim in der Immanuelkirchstraße gegessen, und wenn es teurer gewesen wäre, hätte ich ein wenig genörgelt, dass eine Schinkenscheibe kein Amuse Gueule ist, und der in eine weitere gebratene Scheibe Schinken eingewickelte Radicchio (ein abscheuliches Gemüse) gleichzeitig bitter und nach Schwein geschmeckt hat. Für die knapp € 40 pro Person aber war das Brot wirklich super, das Makrelentartar mit der gebratenen Makrele gut gewürzt und nett angerichtet, das Fleisch war durchweg gut, das Tobleroneparfait zum Dessert mehr als okay, und der Wein vom Weingut Hensel sehr in Ordnung. Im Gugelhof am Kollwitzplatz oder im Kreuzberger Jolesch etwa isst man bei nicht unähnlichem Zuschnitt trotzdem besser.

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Tiefer, traumloser Schlaf.

Mittwoch, 27. Januar 2010

Geschichten vom lieben Gott

Es gibt keine grausamere menschliche Erfindung als Gott.
Onkel P. (1982)

Es gibt zwei sehr einleuchtende Geschichten, die Joel und Ethan Coen in ihrem aktuellen Film erzählen.

Die erste Geschichte ist schlicht: Gott beschließt eines Tages im Jahre 1967 seinen Knecht Larry Gopnik auf die Probe zu stellen. Larry ist rechtschaffen und redlich und gottesfürchtig, meidet das Böse schon aus Phantasielosigkeit, und verdient seinen Lebensunterhalt als Physikprofessor in einer jüdisch geprägten Kleinstadt im mittleren Westen der USA. Er ist verheiratet, er hat zwei Kinder im Teenageralter, sein leicht verwirrter Bruder lebt bei ihm, und außer einer Festanstellung fehlt ihm nichts Sichtbares für ein wohltemperiertes, wenn auch etwas klägliches Glück.

Dann aber beginnen Gottes Proben. Seine Tochter stiehlt Larry Geld für eine Nasen-OP. Ob sein kiffender Sohn als Bar Mitzwa die Torah-Verlesung fehlerfrei hinbringen wird, ist äußerst fraglich. Ein Student erpresst und besticht ihn. Kurz vor der Beratung über seine Festanstellung tauchen diffamierende Briefe bei der Universiätsleitung auf. Seine Frau will sich von Larry trennen, um mit einem unglaublich öligen Witwer zusammenzuleben. Larry soll ausziehen und landet im Jolly Rogers, einem ungewöhnlich tristen Motel. Sehr, sehr traurig ist das alles, und - immerhin handelt es sich um eine Komödie - unendlich komisch.

Larry trägt diese Schicksalschläge maximal mittelmäßig gut. Er habe doch nichts getan, beteuert er wieder und wieder, und weil er sich auf all dies keinen Reim machen kann, beschließt er, Geistliche aufzusuchen. Die drei Rabbis aber helfen ihm nicht im Ansatz weiter. Larrys Welt ist aus den Fugen.

Am Ende hält Larry den Versuchungen Gottes nicht stand. Gerade als sich Larrys Schicksal wieder verbessert, taucht ein neuer Tiefschlag in Form einer hohen Anwaltsrechnung auf, und Larry geht auf die Erpressung des Studenten ein. Statt eines "F" soll es ein "C" sein. Bestanden. Das Geld steckt er ein. In diesem Moment aber spuckt Gott Larry Gopnik aus, um ihn zu zertreten: Sein Arzt ruft an, und es hört sich schlimm an. Auf die Schule seines Sohnes rast ein Tornado zu, und in des Sturmes schwärzlicher Säule sehen wir den rächenden Herrn aller Himmel in seinem Zorn. Soweit, so gut.

Die andere Geschichte aber ist weniger erbaulich: Vielleicht interessiert Gott sich ganz und gar nicht für Larry Gopniks Redlichkeit, seine Standfestigkeit und seine Tugend. Vielleicht spielt Gott mit Larry wie eine junge Katze mit einer Maus. Vielleicht wird Larry zertreten, weil er gerade da war, vielleicht lacht Gott über Larry, weil sein Unglück eine außergewöhnlich komische Dimension hat. Vielleicht wirft Gott auf Erden alles durcheinander, und manchmal trifft es eben ein Geschöpf mehr als die anderen. Vielleicht - aber diese Möglichkeit ist angesichts von so viel Unglück geradezu skandalös - gibt es Gott schier gar nicht, und alles Leiden ist so sinnlos wie die Rechtschaffenheit und die Redlichkeit, und die Gottesfurcht geht ins Leere zwischen den gleichgültigen Körpern im Raum.

(Wir aber lachen)

Samstag, 23. Januar 2010

Der Zsa-Zsa-Gabor-Komplex

Tatsächlich hat das Alter keinerlei Vorteile: Wenn man 20 ist, kann man nächtelang feiern und sieht am nächsten Morgen aus wie neu geboren, aber versuchen Sie das mal zehn Jahre später. Was eine wirklich junge Frau verbricht, fällt fast samt und sonders unter gütig belächelte Jugendsünden, wohingegen Damen mittleren Alters für ihre Faux Pas auf keinerlei Nachsicht hoffen können. Dass die männliche Nachfrage, um auch dieses schwierige Kapitel anzusprechen, sich in erster Linie auf junge Damen richtet, bedarf wohl keiner weiteren Worte, und so nimmt es nicht wunder, dass die Welt um manche ältere Dame weiß, welche ihr Geburtsjahr mindestens verheimlicht, wenn nicht sogar verfälscht.

Doch auch das männliche Alter ist kein gemütlicher Zustand, und so ist auch nicht jede männliche Altersangabe zutreffend, und daher antwortete ein 2005 an und für sich noch recht junger Mann von ca. 32 auf die Frage anderer Rechtsreferendare im Bundestag (tatsächlich handelte es sich um zwei Damen), wie alt er denn sei, mit einem kräftigen "28". Die beiden Fragenden selbst bekannten sich zu ihren damals 24 oder 25, und so war alles gut. Einträchtig, ja freundschaftlich sogar, arbeitete man im Jakob-Kaiser-Haus vor sich hin. Dann aber hatte der junge Mann - wir wollen ihnen der Einfachheit halber J. nennen - Geburtstag.

Zu seinem Geburtstag lud der junge Mann die beiden Kolleginnen ein. Außer den Kolleginnen waren auch die Freunde eingeladen, die der junge Mann sowieso schon hatte, und so saßen im Februar 2006 (draußen war es ziemlich kalt) ungefähr 15 Personen in seiner Wohnung am Helmholtzplatz herum. Es gab Bier, Bouletten und Salate, leise Musik, die den guten Geschmack des jungen Mannes bezeugte, und weil es zu wenig Sitzgelegenheiten gab, hockten die meisten Gäste auf dem Boden.

Zu den Freunden, die den jungen Mann schon mehrere Jahre umgaben, gehörte unter anderem auch die C., die - wie die meisten anderen Anwesenden auch - ebenfalls Juristin ist, ebenfalls Jahrgang 1973 und ebenfalls keine gebürtige Berlinerin. Die C. stammt, wie es sich für eine Prenzlbergerin gehört, aus des Landes Südwesten, und dort hat sie irgendwann in den Neunzigern auch studiert. Nach dem Studium aber hat die C. mehrere Jahre an einem Lehrstuhl als eine wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und promoviert und während dieser Zeit auch Arbeitsgemeinschaften gegeben, im Staatsrecht nämlich, und zwar gegenüber den damaligen Studenten der Anfangssemester.

Unter diesen Studenten war auch eine der Mitreferendarinnen des J., und ob diese nun den Altersunterschied zwischen der sofort wiedererkannten C. und sich selbst sogar richtig einschätzte oder möglicherweise die Rollendistanz zwischen Lehrenden und Unterrichteten mehr als die vier Jahre suggerierte, die beide tatsächlich trennte: Als die C. in irgendeinem Zusammenhang bekanntgab, sie sei ja nur drei Monate jünger als der J., sah die Mitreferendarin erstaunt auf, sah erst nach rechts zur C., dann nach links zum J., und dann saß sie da, runzelte die (übrigens hübsche) Stirn und dachte nach. Weil die Mitreferendarin nicht die Hellste ist, wie man so sagt, dauerte dieser Prozess ein paar Minuten. Dann fragte sie den J. ganz direkt nach seinem Alter.

Der J. sah ein wenig unbehaglich um sich. Nun ist es nicht schön, bei einer kleinen Korrektur des Alters erwischt zu werden, das sicher, aber auf der anderen Seite ist es auch nicht lustig, von guten, alten und insbesondere gleich alten Freundinnen ausgelacht zu werden, und das voraussichtlich über einen Zeitraum von mehreren Jahren mindestens alle paar Tage. Der J. atmete also dreimal tief durch, trank einen großen Schluck Bier und sagte die Wahrheit. Im Anschluss schwiegen alle Anwesenden kurz und betreten und feierten dann um so entschlossener weiter.

Ein paar Tage später trafen der J. und die C. wieder aufeinander. Die C. hatte die Geschichte in der Zwischenzeit laut lachend einer unwesentlichen Anzahl von Personen weitererzählt, der J. hatte die ganze Geschichte nach einer kurzen Scham- und Erholungsphase ebenfalls schon kolportiert, und so fiel der Teil des Gesprächs, der im Wesentlichen aus Vorwürfen bestanden hätte, relativ kurz aus: Der J. sagte irgendetwas wie "wie kannst du nur", die C. sagte "wenn mich keiner vorwarnt", und dann traf man ein Arrangement: Künftig würde die Bezifferung des Geburtstages im Vorfeld abgestimmt. Das Erstvorschlagsrecht hat jeweils an seinem Geburtstag der J.

Nach dem J. richten sich dann die C., die I., der M. und sein Bruder T., denn alle drei gehören demselben Jahrgang an. Die M. und der S. sind ein Jahr jünger und ziehen dieses Jahr folglich ab. Ich folge mit einem zweijährigem Abstand, weitere drei Jahre jünger ist die F.

Nun fühlt sich der J. nicht jedes Jahr ein Jahr älter. Manchmal altert der J. jahrelang nicht, dann gibt es auf einmal Sprünge, und so ist das Lebensalter der Menschen, die den J. umgeben, eine etwas erratische Angelegenheit, bisweilen selbst für die Beteiligten schwer nachzuvollziehen, ab und zu schert auch einer aus, dem die aktuelle Bezifferung aus persönlichen Gründen gerade nicht entspricht, und dann tut man gut daran, sich das alles zu merken.

Gegenwärtig bin ich, glaube ich, 31, aber das kann sich jederzeit ändern.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Juli

Irgendwie aufgerauht von der Kälte, spröde, gesprungen, und frierend von morgens bis abends und nicht zuletzt nachts. Auf dem Heimweg dann auch noch gestürzt, schlingernd weitergelaufen. Unvollständig, kaputt. Nicht mehr ganz. Müde, müde, müde und seltsam entfärbt.

Weil es gar nichts zu erzählen gibt, einfach geschwiegen. So überdrüssig des Winters, der dicken, gepolsterten Jacken, der Lichtlosigkeit und der Blässe. Sich treiben lassen auf dem Strom von Gedanken die Wochen entlang, der Sonne entgegen, in wehenden Kleidern, mit offenem Haar, und im Mauerpark schaukeln, fliegen, wirbeln, der Sonne entgegen, rot, glühend vor Sonne und Abend und so schwerelos frei, wie du manchmal gern wärst.

Samstag, 16. Januar 2010

Vergiftet mit ihren Tränen

Eduard von Keyserling, Dumala (1908)

Einsam ist man in den Weiten des Ostens, in dem das alte, feudale Europa müde in verblassten Tapisserien friert, kraftlos wie der gelähmte Baron Werland in seinem Schloss Dumala, in dem ganze Flügel leer stehen, und die Mäuse hinter der Wand dem Ende dieser Welt entgegen nagen. Mit dem Baron friert seine schöne Frau Karola, sitzt des Abends neben ihm am Feuteuil und streichelt des Barons schmerzende Beine.

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